Die USA und Deutschland sind seit langem gute
Geschäfts- und Handelspartner. Trotz oder gerade wegen der neuen Regierung
wachsen die bilateralen Handelsbeziehungen und sind – trotz der gegenwärtigen
Spannungen im Zollstreit - stärker denn je. Viele deutsche Unternehmen gehen in
die USA, um dort Niederlassungen zu etablieren, Produkte zu verkaufen, oder
Partnerschaften einzugehen. Warum? Die Beziehung ist historisch auf ein Niveau
beiderseitigen Vorteils gewachsen. Amerikaner schätzen die Qualität von
Produkten “Made in Germany”, die Deutschen wiederum bewundern den hohen
Technisierungsgrad und technologischen Fortschritt in den USA, die
Begeisterungsfähigkeit der Amerikaner und ihren Willen, hart zu arbeiten und
“to make it happen” (die sogenannte “can-do attitude”), und die scheinbare
Leichtigkeit des Geschäftemachens.
Allerdings gibt es Unterschiede. Im täglichen
Geschäftsbetrieb, in der Arbeits- und Unternehmenskultur, im Rechts- und
Vertragswesen. Unterschiede, die, wenn sie unterschätzt oder ignoriert werden,
teuer werden können. In diesem Artikel geht es um Unterschiede in der
Transparenz. Die Art und Weise, wie wir Informationen weitergeben, wie wir
Informationen nutzen, und wie wir Informationen schützen, ist in Deutschland und
Europa anders als in den USA – nicht erst mit Inkrafttreten der neuen Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO, englisch General Data Protection
Regulation, GDPR). Die fast gegensätzlichen Herangehensweisen an den
Datenschutz in beiden Ländern resultieren aus unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen
bezüglich eines angemessenen Gleichgewichts zwischen Sicherheit auf der einen
Seite, und Freiheit bzw. Schutz der Privatsphäre auf der anderen Seite. In der sog. NSA-Affäre haben wir gesehen, wie
diese unterschiedlichen Sichtweisen aufeinanderprallen. Kanzlerin Merkel war „not amused“, dass ihr
Mobiltelefon abgehört wurde, und in Deutschland wird Snowden, der die weit
reichenden NSA-Praktiken aufgedeckt hat, keineswegs als Verräter gesehen,
sondern als Held gefeiert. Und das hat auch historische Wurzeln. In Deutschland
ist die Erinnerung an die totalitären Regierungen, die Unterdrückung und
Diktatur der Nazis und Stasi-Aktivitäten präsent. Die Amerikaner sind seit
9/11, der nicht nur die Nation tief erschüttert, sondern auch die Angst vor
weiteren Anschlägen geschürt hat, eher bereit, Eingriffe in ihr Privatleben zu
dulden. Dies führte zum Erlass des Patriot
Act, der danach durch den USA Freedom
Act ersetzt wurde, und PRISM, dem elektronischen Medienüberwachungs- und
Datenauswertungsprogramm der US-amerikanischen National Security Agency (NSA).
Transparenz dient aber nicht nur politischen
Sicherheitsbedürfnissen, sondern eine umfangreiche Informationsbeschaffung kann
auch im geschäftlich-unternehmerischen Bereich von Nutzen sein. Eine umfassende
Geschäftspartneranalyse beispielsweise hilft nicht nur, einen finanziellen Flop
zu vermeiden, sondern auch, sicherzustellen, dass alle nationalen und
internationalen Compliance Regeln erfüllt und Unternehmen nicht in Verbindung
mit Wirtschaftskriminalität gebracht werden. Mit den wachsenden Bedenken im
Hinblick auf Wirtschaftskriminalität steigen die Anforderungen an Compliance –
auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Einer Studie zufolge
überwachen 40 Prozent der Unternehmen jährlich 1000 Vertragspartner, und 29
Prozent managen mehr als 5000 Dritte. 55 Prozent der Unternehmen stellen – auch
nach einer herkömmlichen Due Diligence-Prüfung - rechtliche, ethische oder
Compliance-Probleme eines Unternehmens fest, mit dem sie geschäftlich verbunden
sind.
Beispiel: Ein Automobilzulieferer/Teilehersteller hielt
sich an ein Exportverbot in den Iran, aber sein Kunde – was der
Automobilzulieferer nicht wusste – fungierte als Mittelsmann und leitete die
vom Zulieferer hergestellten Teile an eine Firma in den Iran weiter. Strafe für
den Teilehersteller: Eine Million Euro.
Als Reaktion auf anhaltende Bedenken in Bezug
auf Korruption und Menschenhandel gibt es einen eindeutigen Trend in der
US-amerikanischen Gesetzgebung, die Transparenz, Nachverfolgbarkeit und
Berichterstattung in den Lieferketten von Unternehmen zu verbessern. Mittelbar
werden dabei auch europäische Unternehmen in die Pflicht genommen. Denn Regelwerke
wie der Foreign Corrupt Practices Act
(FCPA), der Dodd-Frank Act[1] für sog. Konfliktmineralien[2]
oder der kalifornische Transparency in
Supply Chains Act schaffen Offenlegungspflichten, die entlang der
Lieferkette „durchgereicht“ werden und sämtliche Dritte, d.h. Berater,
Vertriebspartner, Verkaufsrepräsentanten, Zulieferer, Agenten und sonstige
Vertragspartner einschließen. Unternehmern und ihren Vertretern, die ihrer
diesbezüglichen Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, drohen empfindliche Geld-
und Freiheitsstrafen. Was also ist zu tun?
Erstens, unternehmensinterne Transparenz schaffen.
Zweitens, Durchführung von Compliance-Programmen und
eine umfassende Überprüfung von Partner- oder Vertragsunternehmen sowie
(potenziellen) Mitarbeitern auf Führungsebene, um Verstöße gegen
Compliance-Regeln und Richtlinien aufzudecken.
Drittens, eine kontinuierliche Risikoüberwachung. Geschäftsrisiken
fallen normalerweise in vier Kategorien: Reputationsrisiko, rechtliches Risiko,
finanzielles Risiko, und strategisches Risiko. Wendet ein Unternehmen diese
Kategorien bei der Risikoüberwachung an, kann es relevante Informationen früher
erkennen. Das heißt, es hat einen strategischen Vorteil auf dem Markt gegenüber
anderen Unternehmen, die mit dem riesigen Volumen von Nachrichten und
Informationen über Branchen, Länder, und Gesetze überfordert ist. So ist
Transparenz nicht nur ein notwendiges Übel im USA-Geschäft, sondern verschafft
aufmerksamen Unternehmern einen Wettbewerbsvorsprung.
Zur Autorin:
Daniela Britton ist deutsche Rechtsanwältin
und Geschäftsführerin der in Atlanta, GA ansässigen Firma Factwell. Sie berät
Unternehmen im internationalen Geschäft und versorgt sie mit Informationen über
Markt, Unternehmen und Einzelpersonen, Strategien zur Risikominimierung sowie
gezieltem Krisenmanagement.
[1] Dort Titel 15, Section 1502. Er heißt
vollständig Dodd-Frank Wall Street Reform
and Consumer Protection Act und will eigentlich den Finanzmarkt
reformieren.
[2] Das sind Rohstoffe, die aus der
Demokratischen Republik Kongo oder ihren Nachbarstaaten (darunter Ruanda,
Sudan, Tansania, Uganda) stammen und deren Gewinnung und der Handel mit diesen
Rohstoffen zur Finanzierung oder sonstigen Unterstützung bewaffneter Gruppen in
dieser Region beitragen. Dazu zählen Tantal, Zinn, Wolfram, deren Derivate und
Gold.