Meinungsäußerungen
im Arbeitsverhältnis rechtfertigen eine Kündigung im Normalfall nicht.
Nutzt man soziale Netzwerke, um seine Meinung zu verbreiten, entstehen
gleichwohl Arbeitsplatzrisiken. So äußert sich etwa der
Produktionsleiter eines deutschen Exportunternehmens in kleinem Kreis
über die seiner Meinung nach geringe Arbeitsmoral der türkischen
Kollegen. Die Äußerung beruht auf einem Vorurteil. Der Geschäftsführer,
der von dieser Äußerung erfährt, verbittet sich die Wiederholung solcher
Aussagen. Wenn der Produktionsleiter in Zukunft solche Kommentare
unterlässt, ist die Sache erledigt. Eine verhaltensbedingte Kündigung
wegen des Ausrutschers scheidet aus.
Angenommen,
der Produktionsleiter verbreitet seine Äußerung auch über ein soziales
Netzwerk. Dabei soll die Textnachricht nur einen seiner Mitarbeiter
erreichen. Doch dieser hat zahlreiche Follower, so dass sich der Kreis
der Empfänger extrem schnell vergrößert. Die Nachricht erreicht einen
türkischen Journalisten, der darüber berichtet. Dadurch erfährt der
Geschäftsführer eines türkischen Partnerunternehmens von der Äußerung.
Er droht dem deutschen Exporteur mit Abbruch der Geschäftsbeziehungen,
sollte der Produktionsleiter nicht abgelöst werden. Das Wegbrechen des
türkischen Partners hätte für das deutsche Unternehmen wirtschaftliche
Folgen: Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.
Wenn
ein Arbeitgeber von Kunden durch Androhung von Nachteilen dazu
veranlasst werden soll, die Kündigung eines Beschäftigten auszusprechen,
spricht man von Druckkündigung. Sie kann auch dann ausgesprochen
werden, wenn dem Arbeitnehmer bei isolierter Betrachtung kein Verhalten
angelastet werden kann, das eine Kündigung rechtfertigt. Dem
Produktionsleiter dürfte wegen seiner einmaligen Äußerung nicht
gekündigt werden. Das wäre nur möglich, wenn er die inkriminierte
Äußerung trotz Abmahnung wiederholen würde. Weil also ein
verhaltensbedingter Grund für die Kündigung nicht vorliegt, hat sich das
deutsche Unternehmen schützend vor den Angestellten zu stellen. Es muss
alles Zumutbare unternehmen, um den türkischen Geschäftspartner von
seiner Drohung abzubringen. Geht der aber nicht auf die
Beschwichtigungsversuche ein, ist eine - betriebsbedingte - Kündigung
angesichts der zu befürchtenden Schwere der wirtschaftlichen Nachteile
durchaus gerechtfertigt. Schadensersatzansprüche des betroffenen
Angestellten gegen den Kunden kämen nur in Betracht, wenn die den Druck
ausübende Person rechtswidrig gehandelt hätte. Man kann einem türkischen
Geschäftspartner kaum vorwerfen, dass er vorurteilsbeladene Äußerungen
sensibel betrachtet und an seiner Entlassungsforderung festhält.
Samstag, 04. APRIL 2015, BERUF UND CHANCE: Mein Urteil
Norbert Pflüger ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt.
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